Die Digitalisierung macht auch vor dem Automobilvertrieb nicht Halt. Der Erstkontakt zum Händler findet heute überwiegend digital statt. Mehr als 90 Prozent aller Autokäufer informieren sich zuerst im Web über Fahrzeug- und Serviceangebote. Trotzdem wird das Auto am Ende der Customer Journey überwiegend im Autohaus gekauft. Doch werden die digitalen Vertriebskanäle auch für den Fahrzeughandel immer wichtiger.
Onlinekauf wird beliebter
Tesla und Polestar haben bewiesen, dass Kunden bestimmte Autos bereits im Web kaufen. Immerhin wurde auch in Deutschland bereits 2018 einer von zehn Neuwagen im Internet gekauft (DAT-Report 2019). Kein Wunder, dass auch deutsche Autohersteller entsprechende Vertriebsmodelle vorbereiten oder bereits umsetzen. So ist zu erwarten, dass der Anteil der online verkauften Autos weiter steigen wird. Dabei wird auch die Elektrifizierung der Automodelle den E-Commerce in der Automobilindustrie weiter vorantreiben.
Wandel der Vertriebskanäle
Nicht nur die Automobilhersteller befassen sich heute mit Direct-to-Consumer-Ansätzen (D2C), also dem direkten Vertrieb an den Konsumenten. Der Ausbau des Direktvertriebs ist für Hersteller dabei nicht nur aus Kostengründen interessant. Um Kunden effektiv an eine Marke zu binden, ist nichts so relevant wie Kundendaten. Welche Informationen schaut der Interessent sich auf der Herstellerseite an? Hat er Fragen, die er gleich über Chat oder WhatsApp beantwortet haben will? Ist der Kunde aktiv auf Facebook oder YouTube? Wichtige Informationen aus jedem digitalen Touchpoint lassen sich automatisiert auswerten. Angebote können so personalisiert auf die Kundschaft zugeschnitten werden.
Online und stationär gehören zusammen
Autohändler und Hersteller müssen sich jetzt auf einen Wandel der Vertriebskanäle einstellen. Doch ganz ohne stationäre Beratung und Betreuung wird es auch in Zukunft nicht im Vertrieb von Fahrzeugen gehen. Einerseits erwarten die Kunden zunehmend den digitalen Vertrieb von Fahrzeugen, andererseits möchten sie nicht auf die Beratung im Autohaus verzichten. Es ist also für die Zukunft entscheidend, eine integrierte Omnichannel-Strategie umzusetzen, die das Beste aus beiden Welten, on- und offline, kombiniert. Die Kunden müssen die Wahl haben, welchen Teil des Kaufprozesses sie analog und welchen digital abschließen wollen.
Wenn man die aktuellen digitalen Vertriebskanäle näher betrachtet, ergeben sich für Autohändler drei Möglichkeiten:
Der Direct-to-Consumer-Ansatz. Hier verkaufen Autohändler ihre Fahrzeuge und Services direkt über den eigenen Webshop an den Endkunden, so wie z.B. Emil Frey oder Autohaus König das sehr erfolgreich tun.
Über Fahrzeugbörsen. Hier wird wieder direkt an den Endkunden verkauft, aber über einen digitalen Marktplatz. Hier treten die Fahrzeugbörsen (Autoscout24, mobile.de …) als Vermittler auf. Auch verschiedene Importeure und Hersteller bieten inzwischen Autohändlern digitale Plattformen für den Vertrieb an. Mehr als 90 Prozent der Autohäuser sind bereits auf den verschiedenen Plattformen vertreten.
Das Agenturmodell. Hier treten die Händler als Agenten des Herstellers auf, die im Rahmen des Direktvertriebsmodells gewisse Aufgaben wie Probefahrten oder die Fahrzeugübergabe übernehmen und dafür bezahlt werden. Der Kaufvertrag kann also dann wahlweise im Autohaus oder auf Onlinekanälen abgeschlossen werden. Dabei übernimmt der Händler die Rolle des Agenten und betreut den Kunden über die ganze Phase des Auswahl- und Kaufprozesses bis hin zur Übergabe. So spielt der klassische Händler im Agenturmodell immer noch eine große Rolle, de facto verliert er jedoch seine starke Position als frei anbietender Autohändler.
Online ist entscheidend für die Leadgenerierung
Viele Autohändler haben das längst Internet als entscheidenden Faktor für die Leadgenerierung entdeckt. Nach einer Studie von Accenture verkauft ein Drittel aller Autohändler die eigenen Fahrzeuge über Online-Plattformen von Drittanbietern. 28 Prozent bieten Fahrzeuge in einem gemeinsam mit dem Hersteller betriebenen Online-Shop an; etwa jeder Fünfte setzt auf eine eigene Lösung für den Verkauf im Internet (21 Prozent).
Unabhängig von den Bestrebungen der Hersteller stellt sich für jeden Autohändler aktuell die Frage, wie man mit dem Thema Onlinevertrieb umgeht. Auch wenn der Automobilsektor in Sachen Vertrieb gerne auf altbewährte Strategien setzt, um eine veränderte Herangehensweise zum Thema Online-Vertrieb führt kein Weg vorbei.
Welche Modelle werden sich durchsetzen?
Bisher sehen viele Autohändler die Fahrzeugbörsen als eine ernste Bedrohung für ihr Geschäftsmodell. Auch ist für die meisten Händler der Direktvertrieb immer noch ein Reizwort. Die Mehrheit der Händler lehnt diese Vertriebsform ab und sieht darin einen Angriff der Hersteller auf ihr angestammtes Geschäft. Doch, dass die Hersteller in naher Zukunft in den Direktvertrieb einsteigen, ist vorhersehbar.
Fakt ist: Kunden starten die Fahrzeugsuche derzeit meist online, um anschließend im stationären Autohaus offline kaufen. Dabei ist es für die Interessenten entscheidend, dass sie vor ihrer Kaufentscheidung nach Belieben und nahtlos zwischen allen Kanälen wechseln und entscheiden können, wann sie wo kaufen wollen. Kunden setzen heute digitale Features und einfache Bestellmöglichkeiten voraus. Das ermöglicht Autokäufern ihren bevorzugten Vertriebskanal zu wählen.
Der Automobilhandel muss sich an das veränderte Kundenverhalten anpassen
Auch ältere Autohauskunden werden immer stärker digitale Wege gehen, um ein Auto zu erwerben. Vielleicht werden bald die meisten Käufer nach der Online-Recherche die Angebote der Autohändler vor Ort nutzen, um sich genauer zu informieren, Probefahrten zu machen und Vergleiche anzustellen. Der eigentliche Autokauf wird dann aber wieder im Internet vorgenommen, wo zumeist deutlich günstigere Konditionen als von den Fachhändlern geboten werden. Omnichannel-Lösungen, die die Vorteile aus beiden Welten vereinen, führen dann zum Erfolg. Nicht zuletzt deshalb bleibt der direkte Draht zum Kunden auch im digitalen Zeitalter unabdingbar. Insbesondere das eigene digitale Angebot sollte hier ausgebaut werden. Hier fallen wichtige Kundendaten an, die sonst beim Hersteller oder der Fahrzeugbörse landen. Online-Beratung und Offline-Kauf schließen sich also nicht aus.
Mit neuen Geschäftsmodellen, effizienteren Prozessen und neuer Ausrichtung können Autohändler die Herausforderungen meistern und sich weiterhin am Markt behaupten.