Der Autohandel steht seit Jahren unter Druck. Kunden zeigen zunehmend Zurückhaltung, und die Margen schwanken stark. Zudem belasten die Branche die hohen Zinsen, die Unsicherheit rund um die E-Mobilität und die allgemein schwache Konjunkturlage das Geschäft. Auch die Digitalisierung macht auch vor dem Automobilvertrieb nicht Halt. Der Erstkontakt zum Händler findet heute überwiegend digital statt. Zwar verlagert sich der Kundenkontakt immer mehr auf digitale Kanäle, davon profitieren bisher aber nur die Autohändler.
Hersteller vs. Autohäuser
Viele Hersteller erwägen daher, den Vertrieb von Neuwagen selbst zu übernehmen und den Autohäusern das Geschäft mit Gebrauchtwagen, den Service und den Teilevertrieb zu überlassen – zumindest vorerst. Der Ausbau des Direktvertriebs ist für Hersteller dabei nicht nur aus Kostengründen interessant. Um Kunden effektiv an eine Marke zu binden, sind Kundendaten von höchster Relevanz. Doch ganz ohne stationäre Beratung und Betreuung wird es auch in Zukunft nicht im Vertrieb von Fahrzeugen gehen. Daher versuchen viele Hersteller ein Agenturmodell einzuführen.
Das Agenturmodell: Wirklich die Zukunft?
Im Agenturmodell treten die Händler als Agenten des Herstellers auf, die im Rahmen des Direktvertriebsmodells Aufgaben wie Probefahrten oder die Fahrzeugübergabe übernehmen und dafür bezahlt werden. Der Kaufvertrag kann dann wahlweise im Autohaus oder auf Onlinekanälen abgeschlossen werden. Der Händler betreut den Kunden über die ganze Phase des Auswahl- und Kaufprozesses bis hin zur Übergabe. So bleibt der klassische Händler im Agenturmodell wichtig, verliert jedoch seine starke Position als frei anbietender Autohändler.
Autobauer erhoffen sich von dem Agenturmodell Einsparungen bei Betriebskosten und Nachlässen sowie eine höhere Preiskontrolle und direkteren Draht zu den Kunden. Kunden profitieren von absoluter Preistransparenz, da sie sich aufwendige Angebotsvergleiche und langwierige Preisverhandlungen sparen können.
Doch es regt sich auch Protest. Mehr als 25.000 Beschäftigte von Mercedes-Benz haben gegen die Pläne des Konzerns protestiert, die betriebseigenen Niederlassungen mit 8.000 Beschäftigten abzustoßen. Der Verkauf der Niederlassungen zeigt, wie aggressiv die Hersteller versuchen, ihre Strukturen zu optimieren. Sehr zum Ärger des etablierten Handels suchen Autokonzerne derzeit neue Wege, um am Vertrieb der Fahrzeuge mehr zu verdienen.
Herausforderungen und Rückschläge
Inzwischen stellt sich jedoch heraus, dass die Konzerne nicht unbedingt die besseren Autoverkäufer sind. Die Agenturmodelle gelten in der Branche sogar als gescheitert. Die Hersteller unterschätzten den zusätzlichen Verwaltungsaufwand und die nötige Markterfahrung im Verkauf. So bauen derzeit Mercedes und BMW hunderte neue Stellen in diesem Bereich auf.
Das Agenturmodell klingt auf den ersten Blick vielversprechend, zeigt jedoch Schwächen: Es funktioniert nur gut, solange die Nachfrage höher ist als das Angebot. Ohne Zwischenhandel müssen die Hersteller ihre Kapazitäten schneller an die tatsächliche Nachfrage anpassen. Die derzeit schwache Nachfrage zwingt Hersteller zu raschen Anpassungen, die oft kostspielig sind. Ford hat das Agenturmodell bereits aufgegeben, und auch Opel und Stellantis haben die Einführung auf Eis gelegt.
Die Zukunft des Agenturmodells im Autohandel
Ob sich das Agenturmodell im Autohandel durchsetzen wird, ist fraglich. Während viele Hersteller es vor drei Jahren noch stark befürworteten, zeigen sich inzwischen erhebliche Herausforderungen. Ein Erfolg wird nur möglich sein, wenn das Geschäftsmodell für alle Partner tragfähig ist. Thomas Peckruhn, Sprecher der Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen im ZDK, betont: »Der Autohändler bleibt die engste Schnittstelle zum Kunden.« Nur der Handel im klassischen Vertriebssystem ist in der Lage, schnell und flexibel auf den Markt zu reagieren. Ein Händler im Agentursystem kann dies nicht im gleichen Maße. Der Handel als engste Schnittstelle zum Kunden ist auch durch KI und andere Onlineaktivitäten nicht zu ersetzen. Kunden verbinden beim Autokauf die Vorteile digitaler Tools mit den Vorzügen einer persönlichen Beratung im Autohaus.
Digitale Tools und persönliche Beratung kombinieren
Der Autohandel steht aktuell vor großen Herausforderungen. Der Einsatz von KI und digitalen Tools bietet Chancen, den Kundenkontakt zu verbessern und Prozesse zu optimieren. Doch der persönliche Kontakt bleibt unverzichtbar. Hersteller und Händler müssen gemeinsam Wege finden, um die Vorteile der Digitalisierung zu nutzen und gleichzeitig die Stärken des traditionellen Handels zu bewahren. Nur so können sie den harten Wettbewerb erfolgreich meistern.
Im eigenen Interesse sollten aber Hersteller und Handel die digitale Transformation gemeinsam vorantreiben. Bei der Digitalisierung ihrer Vertriebskanäle hinken viele Hersteller hinterher. Von der Verknüpfung von On- und Offline kann oft nur wenig die Rede sein. Dabei ist allen klar, dass dies ein entscheidender Aspekt für den künftigen Erfolg sein wird.