Autohäuser müssen ihre Datenschätze heben – Interview mit Jan Löffler

Die Kunden hinterlassen im Internet jede Menge Fußspuren, doch der Autohandel nutzt diese noch viel zu selten für seine Zwecke. Jan Löffler, Geschäftsführer von LDB Löffler erklärt im Interview, wie die Betriebe die Datenflut für sich nutzen können.

Herr Löffler, die Digitalisierung hat das Geschäftsmodell vieler Branchen auf den Kopf gestellt. Glauben Sie, dass das auch im Automobilgeschäft passieren wird, und ist der Handel darauf vorbereitet?

Jan Löffler: Die Kunden wollen immer öfter digital interagieren – unabhängig davon, für welches Produkt oder für welche Dienstleistung sie sich interessieren. Zudem sind vernetzte Autos stark im Kommen. Daher bin ich davon überzeugt, dass auch die Autobranche vor einem tiefgreifenden Wandel steht. Während sich die Hersteller bereits recht intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen und es als Chance begreifen, sehen die Händler das veränderte Kundenverhalten und neue Fahrzeugtechnologien vielfach als Gefahr, und warten eher ab, was passiert. Das ist schade: In der Prozessautomatisierung und in der Tatsache, dass die Kunden im Netz deutlich mehr Fußspuren hinterlassen, als sie es früher rein physisch getan haben, schlummert viel Geschäftspotenzial.

Wo sehen Sie im Handel den größten Handlungsbedarf?

Den größten Handlungsbedarf sehe ich in der Kundenkommunikation. Wir analysieren als Dienstleister rund um das Thema Kundenmanagement schon seit vielen Jahren, wie sich die Erwartungshaltung der Kunden verändert, und das vielfach auch branchenübergreifend: Die Konsumenten erwarten eine schnelle Reaktionsgeschwindigkeit und Verfügbarkeit. Sie wollen alles on Demand. Dazu tragen ganz wesentlich auch große Online-Versandhändler bei: Amazon beispielsweise beliefert die Kunden, die in deutschen Großstädten leben, mit einem neuen Service innerhalb von zwei Stunden. Auch die Menschen, die eine Onlineanfrage für einen Gebrauchtwagen stellen, erwarten, dass der Verkäufer innerhalb weniger Stunden reagiert. Doch in vielen Autohäusern sieht die Realität anders aus.

Wo hakt es in den Betrieben?

Ein Grund für die zum Teil deutlich zu langsamen Reaktionszeiten ist, dass es immer mehr Kommunikationskanäle gibt, über die Kundenanfragen einfließen. Vor zehn Jahren konnte ein Kunde anrufen, ein Fax schicken oder eine E-Mail versenden, um mit einem Autohaus in Kontakt zu treten. Heute kann er dies zusätzlich über Facebook, Xing oder Whatsapp tun, um nur die wichtigsten Kanäle zu nennen. Die Krux ist, dass jeder Kanal im Autohaus einen eigenen Endpunkt hat. Zum Beispiel ist das Thema Social Media meistens in der Marketingabteilung angesiedelt. Eine Fahrzeuganfrage, die über diesen Kanal ins Autohaus kommt, landet in aller Regel nicht direkt beim zuständigen Verkäufer, sondern durchläuft verschiedene Knotenpunkte im Unternehmen. Bei Telefonaten und E-Mails ist die Situation meistens auch nicht viel besser.

Wie lässt sich dieses Dilemma lösen?

Über ein zentrales Leadmanagementsystem, das alle Kommunikationskanäle in einer Plattform bündelt. Damit lassen sich die Reibungspunkte auf Null reduzieren und die Transparenz deutlich steigern. Unser Leadmanagementsystem CXBox ermöglicht es den Betrieben, in Echtzeit festzustellen, ob gerade etwas anbrennt. Unter dem Strich trägt es dazu bei, ein positives Kundenerlebnis zu schaffen.

Big Data ist das IT-Trendthema, dennoch beschäftigen sich nach wie vor vor allem die Hersteller damit. Welchen Nutzen können die Händler daraus ziehen?

Mit Big Data ist ein Autohaus schon heute in der Lage zu prognostizieren, was der Kunde Morgen tun wird. Er kann ihn genau im richtigen Moment anzusprechen, um ihm ein maßgeschneidertes Angebot zu machen. Früher haben die Verkäufer im persönlichen Gespräch eine Bedarfsanalyse erstellt und die Hobbys der Kunden erfragt. Diese Informationen haben sie dann schriftlich auf einer Kundenkarteikarte festgehalten, auf die in aller Regel nur der Verkäufer Zugriff hatte. Heute geht es dank Big Data deutlich einfacher: Ein Kunde hinterlässt jede Menge digitale Spuren im Internet, und diese lassen sich dann in einer Art digitalen Karteikarte zusammentragen, auf die alle im Unternehmen Zugriff haben.

Auf welche relevanten Daten hat ein Autohaus, das mit Big Data ein Kundenprofil erstellen will, Zugriff?

Es geht los mit einfachen Transaktionsdaten, die man in aller Regel aus dem Dealer-Management-System ziehen kann. Dort ist beispielsweise erfasst, wann ein Kunde ein Auto gekauft hat, wann er in der Werkstatt war, wie hoch die Rechnung war, oder wie hoch die Laufleistung seines Autos ist. Vor allem wenn ein Autohaus ein Leadmanagementsystem hat, kann es zudem auf eine Fülle von Kommunikationsdaten zugreifen. Es sieht beispielsweise, wann sich ein Kunde an den Betrieb gewandt hat, welche Anfrage er hatte, oder wie zufrieden er mit dem Service war. Künftig kommen als Quelle noch die Fahrzeugdaten hinzu. Diese werden permanent übermittelt: allerdings sind sie aktuell für den Handel noch schwer nutzbar.

Wie unterstützt LDB den Autohandel beim Thema Big Data?

Wir bergen die Datenschätze, die sich im Autohaus verbergen, und verknüpfen sie sinnvoll miteinander. Wir zapfen Systeme an und harmonisieren sie. Das ist notwendig, weil die Systemlandschaft im Autohandel sehr heterogen ist und ein Kunde leider keine klare ID wie bei Apple hat. Letztlich verheiraten wir täglich und in Echtzeit Daten und füttern permanent die Marketingmaschinerie, indem wir Muster in den Daten aufzeigen. Man spricht dabei auch von predicted Marketing. Der Autohandel steht hier noch ganz am Anfang. Er hat Chancen, die sich darin verbergen, noch nicht als Potenzial für sich entdeckt. Predicted Marketing ermöglicht eine sehr zielgruppengenaue Ansprache und man kann damit den Kunden wirklich individuelle Angebote unterbreiten.

Gibt es neue digitale Projekte, die bei LDB in den Startlöchern stehen?

Wir arbeiten aktuell sehr intensiv am digitalen Marketing für Autohäuser und kooperieren dabei mit einem Vergleichsportal für Finanzdienstleistungen. Im Kern geht es darum, zu verstehen, wie eine digitale Kampagne angelegt sein muss, um eine möglichst hohe Konversionsrate zu erreichen.

Treten Sie dabei als Marketingdienstleister für die Autohäuser auf?

Wir verstehen uns generell als Lösungsprovider. Wir bieten unseren Kunden maßgeschneiderte Pakete an: Sie können entweder nur unsere Softwareprogramme nutzen, oder zusätzlich auch unsere Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Das gilt auch für einen weiteren spannenden Bereich: die Kundenbewertungen.

Was bieten Sie in diesem Bereich an?

Wir holen telefonisch oder per E-Mail Bewertungen von Kunden ein, machen sie internettauglich und stellen sie online. Für die Glaubwürdigkeit und die Imagebildung eines Autohauses sind Kundenmeinungen inzwischen ein ganz wesentlicher Faktor. Das Problem ist, dass es für Autohäuser gerade im Service nicht leicht ist, positive Bewertungen zu erhalten. Das liegt nicht daran, dass die Kunden nicht zufrieden wären – 95 Prozent sind es; die Krux ist vielmehr, dass der Werkstattbesuch anders als ein Restaurantbesuch oder eine Reise nicht emotional belegt ist. Daher fühlen sich nur wenige dazu berufen, ihre Meinung kundzutun. Emotional wird eine Bewertung erst, wenn etwas nicht geklappt hat. Die Folge ist, dass Bewertungsplattformen oftmals negative Meinungen anziehen. Wir fordern im Rahmen einer Kooperation mit der Plattform Autohauskenner auch die zufriedenen Kunden auf, ihre Meinung zu sagen. Gut 70 Prozent sind dazu übrigens durchaus bereit.
Vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Julia Mauritz für kfz-Betrieb |Ausgabe 29-30/2016 | Die Automobilbranche wird digital

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