Immer mehr Autokäufer nutzen das Internet und digitale Angebote beim Fahrzeugkauf. Sie sind aufgeschlossen für neue Vertriebswege und Innovationen bei der Fahrzeugauswahl. Mehr als 60 Prozent wären sogar bereit, ihren nächsten Gebraucht- oder Neuwagen online zu kaufen. Autokäufer sind bei der Digitalisierung weiter als Autohändler…
So lautet ein zentrales Ergebnis der Studie »Online Car Sales 2018«, die die Management- und IT-Beratung MHP gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) und dem Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) erstellt hat.
Beim Autokauf ist es bereits heute Praxis, dass sich der Interessent im Internet informiert, sein Wunschauto konfiguriert und Finanzierungsmöglichkeiten auf Portalen checkt. Der Vertragsabschluss findet dann aber in den meisten Fällen (noch) bei einem Händler statt. Fragt man aber die Kunden, wäre inzwischen die Mehrheit dazu bereit, einen Neu- oder Gebrauchtwagen online zu erwerben. Gegenwärtig sehen aber noch drei von fünf Autokäufern in der fehlenden Testfahrt ein mögliches Hindernis für einen Online-Kauf.
Wie wir Autos kaufen, hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, obwohl sich unser Einkaufsverhalten immer häufiger auf dem Onlinemarkt wiederspiegelt. Der Weg zum Händler war noch vor wenigen Jahren die einzige Möglichkeit, ein Fahrzeug zu erwerben. Inzwischen spielt jedoch das World Wide Web beim Autokauf eine wichtige Rolle. Ohne Online geht nichts mehr beim Autokauf. Außerhalb von Deutschland sind manche Unternehmen viel weiter. In Brasilien ist der Autokauf via Internet längst alltäglich. Dort unterhalten Autohäuser bereits Hotlines, die sich nur auf Kundenanfragen, die aus dem Internet stammen, konzentrieren. Es gibt bereits Unternehmen, die Fahrzeuge nur online vertreiben, so z.B. Tesla oder Carvana. Amazon versucht in den Autohandel einzusteigen und auch andere große Unternehmen haben die Autokäufer ins Visier genommen. Apple und Google könnten durch innovative Konzepte den Automobilvertrieb in der Zukunft merklich in Unruhe versetzen.
Einige Autohändler sind weiterhin der Meinung, sie haben genug Kunden, die zu einer persönlichen Beratung vor Ort kommen oder einen Termin für eine Probefahrt vereinbaren. Es gibt eben Dinge, die online nicht gehen, da kann man noch so technikverliebt sein. Zum Beispiel ein Auto berühren. Es gibt Leute, die wollen einen MINI Cooper streicheln, bevor sie ihn kaufen. Weil er so niedlich ist. Für diese Menschen gibt es weiterhin Autohäuser. Natürlich wird es diese Kunden auch weiter geben. Doch von denjenigen, die sich anders informieren und anders kaufen, erfahren diese Händler in der Regel nichts.
Den Autohäusern macht das zu schaffen. Das bisherige Geschäftsmodell von Autohändlern gerät massiv unter Druck. Über 100 Jahre lang hatten Autohändler das Monopol zwischen Hersteller und Kunden. Jetzt müssen sie es teilen: mit Onlinehändlern, StartUps, Direktanbietern und Car-Sharing-Firmen. Und oft werden die Hersteller selbst zum größten Konkurrenten für den Händler. Hersteller, wie Volkswagen, BMW oder Mercedes-Benz, mit ihren Showrooms locken die Besucher in der City an. Immer öfter eröffnen sie große Glaspaläste und schicke Auto-Shops in teuren Lagen in den Innenstädten. Gleichzeitig starten sie über Webseiten oder in Kooperation mit Partnern eigen Online-Vertriebskanäle. Es wird für Autohändler immer schwieriger, ihr Geschäft auf die Zukunft auszurichten.
Auf diese veränderte Situation muss der schnell Handel eingehen. Die Kunden werden immer häufiger im Internet bestellen. Diese Entwicklung steht jetzt auch dem Autohandel bevor. Autohändler suchen daher nach geeigneten Maßnahmen, um auf das veränderte Kaufverhalten und die Bedürfnisse des Kunden zu reagieren.
Deutsche Autohändler werden für ihre Beratungskompetenz gelobt. Kunden, die ins Autohaus kommen, geben Autohäusern meist gute Bewertungen. Umso wichtiger ist es für den Handel, seinen digitalen Auftritt dem aktuellen Trend anzupassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und seine Chance auf Kundenzuwachs zu erhöhen. Durch eine aktive Besetzung des digitalen Absatzkanals kann dem Eintritt von neuen, branchenfremden Drittanbietern entgegengewirkt werden. Der Kunde sieht den Handel und den Hersteller auch im automobilen Online Sales weiterhin als den Ansprechpartner Nummer Eins. Wird jedoch der Vertrauensvorschuss des Kunden nicht genutzt und dessen Wunsch nach Online-Lösungen nicht erfüllt, ist der Kunde heute – mehr denn je – geneigt, etablierte Handelswege zu verlassen.
Die größte Herausforderung wird das reibungslose Zusammenspiel zwischen Herstellern und Händlern sein. Nur gemeinsam können sie den Online-Kunden optimal abholen und den Autokauf erfolgreich abwickeln. Volkswagen hat hier bspw. mit seinem Händlernetz die ersten Schritte für die Zukunft getan. Investitionen von VW und Audi sollen ab 2020 vor allem in die Digitalisierung des Vertriebs fließen. Um sich »auf die digitale Zeit des Automobilverkaufs einstellen und vorbereiten« zu können und erfolgreich gegen Google und Co. anzukämpfen, bekommen die Vertriebspartner nun eine dreistellige Millionensumme von VW und Audi.
Die meisten Autohändler in Deutschland haben jedoch noch enormen Nachholbedarf in puncto Digitalisierung. Der TÜV-Digital-Report 2016/17 stellte fest, dass von insgesamt 657 analysierten Autohäusern nur 11% einen Fokus auf den digitalen Auftritt legen.
Peter Caracciolo, Partner bei MHP im Bereich Future Retail, erklärt: »Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Kunden den digitalen Möglichkeiten gegenüber sehr aufgeschlossen sind – und zwar die jüngeren ebenso wie die älteren Teilnehmer. Das auch deshalb, weil sie einige Vorteile erwarten: zum Beispiel niedrigere Preise und eine schnellere Verfügbarkeit. Der Handel erkennt zwar, dass kein Weg an der Digitalisierung vorbeiführt. Viele Händler sind aber noch sehr skeptisch.«.
Für den Händler ist es oftmals schwierig zu erkennen, welche Maßnahmen für ihn Sinn machen. Innovative Technologien wie künstliche Intelligenz, Chatbots oder VR weisen riesige Potenziale auf, den zukünftigen Kundendialog zu verbessern. Die Bereitschaft der Kunden diese auch zu nutzen, steigt zudem. Welche Entwicklungen sind tatsächlich entscheidend für den Erfolg im Autohaus? Die rasanten Entwicklungen der Branche machen es fast unmöglich, die digitale Transformation im Autohandel genau vorherzusagen.
Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:
- 2/3 der Kunden würde einen Neu- oder Gebrauchtwagen online kaufen.
- Jeder zweite Kunde wünscht sich weiterhin eine persönliche Beratung.
- Die Hälfte der Kunden möchte eine persönliche Übergabe.
- 78 Prozent informieren sich eigenständig Online über ihr Wunschfahrzeug.
- 6 von 10 Kunden halten physische Beratung für Überflüssig.
- ¾ der Befragten möchten eine Probefahrt online buchen.
Die komplette Studie kann hier geladen werden: